Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis
Unterhält man sich bundesweit mit Steuerberatern, so gehen beim Thema „Qualitätsmanagement“ die Meinungen sehr weit auseinander: auf der einen Seite diejenigen Steuerberater, welche aus den verschiedensten Gründen schlechte Erfahrungen mit der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) gemacht haben. Auf der anderen Seite solche Kanzleiinhaber, welche dem Thema nach wie vor aufgeschlossen gegenüber stehen, da sie sich mithilfe eines funktionierenden QMS einen Wettbewerbsvorteil für die Zukunft erhoffen.
Befragt man zu diesem Thema allerdings Qualitätsmanager oder Auditoren, so nennen diese zumeist viele Gründe, welche für eine Einführung eines QMS sprechen, z. B. eine verbesserte interne Organisation mit klaren Zuständigkeiten und Arbeitsabläufen, die Sicherstellung bzw. Verbesserung der Mitarbeiter- und Mandantenzufriedenheit, die Steigerung des Kanzleiwertes, die größtmögliche Vermeidung von Fehlern und die Vermeidung von Haftungsrisiken.
Doch so gut sich das alles auch anhört, bei der Umsetzung in der Praxis gibt es durchaus weitreichende Probleme, so dass viele Steuerberater von gescheiterten Versuchen berichten, ein QMS in der eigenen Kanzlei zu implementieren. Als Ergebnis des Projekts standen in diesen Fällen dann oftmals nur eine allgemeine Verzweiflung und totale Ressourcenverschwendung anstatt (so wie es eigentlich sein sollte) eine Hilfestellung bei der täglichen Arbeit bzw. nachhaltiger Erfolg.
Von Gefahren bei der Einführung eines QMS
Fakt ist, dass es fraglos einige mögliche Stolpersteine bei der Einführung und Aufrechterhaltung eines QMS in einer Steuerberatungskanzlei gibt, die es zu umgehen gilt. Hier seien vor allem die Gefahren von zu viel und unnötiger Bürokratie, unzureichender Kommunikation sowie mangelhafter Vorbildfunktion der Führungskräfte und als Folge dessen auch fehlende Akzeptanz des Systems bei den Mitarbeitern genannt. Das Auftreten eines einzelnen dieser Faktoren alleine reicht unter Umständen schon völlig aus, um ein QMS scheitern zu lassen.
Grundsatzentscheidung: Die Zukunft gestalten mit oder ohne QMS?
Es stellen sich dem Kanzleiinhaber früher oder später zwei wesentliche Fragen: „Soll ich wirklich ein QMS in meinem Unternehmen einführen?“ und „Falls ja, wann ist der günstigste Zeitpunkt hierfür?“
Hierzu sei gesagt, dass im Prinzip alle erfolgreichen Steuerberatungskanzleien eigentlich bereits ein „kleines“ QMS in ihrer Kanzlei integriert haben – oftmals wird es lediglich anders genannt und ist eventuell nur nicht entsprechend dokumentiert. Ist dies der Fall, so ist der Weg zu noch professionelleren Strukturen in Form eines richtigen QMS dann oftmals viel kürzer als gedacht.
Fest steht, dass Steuerberatungskanzleien sich heutzutage nur dann auf Dauer am Markt behaupten können, wenn sie auch eine entsprechend hohe Dienstleistungsqualität aufweisen können – sei es in Form von aussagekräftigen betriebswirtschaftlichen Auswertungen, fehlerfreien Lohnabrechnungen, Jahresabschlüssen bzw. Steuererklärungen oder fundierter allgemeiner steuerlicher Beratung.
Gerade bei der Erstellung und (Selbst-)Kontrolle einer hohen und dauerhaften Dienstleistungsqualität kann ein QMS eine enorme Hilfestellung bieten. Hierfür ist jedoch ein gewisses Maß an Dokumentation absolut notwendig. Neben der Beschreibung der einzelnen Prozesse und Arbeitsabläufe in einer Kanzlei stellt der sinnvolle Einsatz von Checklisten, Formularen und Vorlagen eine Erleichterung bei der täglichen Arbeit dar, welche diese zudem noch effektiver und effizienter werden lässt. Zu empfehlen ist der Einsatz von Checklisten und Vorlagen vor allem im Bereich der sogenannten Leistungsprozesse, welche in einer Steuerberatungskanzlei typischerweise die Bereiche Finanz- und Lohnbuchhaltung, Jahresabschluss, Steuererklärungen und Beratungen abdecken.
Hierbei sollte allerdings unbedingt beachtet werden, dass man den Einsatz von Checklisten nicht übertreibt und die Geschäftsführung der Versuchung widersteht, alle Vorgänge in der Kanzlei bis ins kleinste Detail regeln und kontrollieren zu wollen. Der Spruch: „Weniger ist manchmal mehr“ findet hier durchaus seine berechtigte Anwendung, denn ein QMS sollte schlank und benutzerfreundlich sein.
Die Zeitproblematik oder „Wann beginnen wir am besten mit dem Projekt?“
Die Frage „Wann ist denn der günstigste Zeitpunkt zur Einführung eines QMS?“ ist hingegen leicht zu beantworten – den gibt es nämlich nicht! Erfahrungen aus der Praxis zeigen das es nicht möglich ist, den einen richtigen Zeitpunkt zu bestimmen – mal ist es der stressige Jahresanfang bzw. das Jahresende, mal die nervigen Fristsetzungen seitens des Finanzamtes oder aber die Personalsituation in Verbund mit der Urlaubszeit – einen wirklich passenden Zeitpunkt wird es definitiv nicht geben. Hier heißt es einfach: das Projekt muss angegangen und sollte nicht mit dem Hinweis auf Zeitprobleme immer weiter verschoben werden.
Empfehlenswert ist in jedem Fall eine externe Expertenhilfe zur Einführung eines QMS, da es wie eben bereits erwähnt doch eine Vielzahl an Komponenten und Faktoren zu berücksichtigen gilt. Soll am Ende des Projekts eine Zertifizierung stehen, müssen zusätzlich noch die Normanforderungen der DIN EN ISO 9001:2015 beachtet werden, was eine externe Hilfe in den meisten Fällen unabdingbar macht.
Ein ganz entscheidender Faktor für ein dauerhaft funktionierendes QMS ist zudem die individuelle Prozessarbeit mithilfe des Know-hows der Mitarbeiter. Für die Akzeptanz eines Systems spielt es eine entscheidende Rolle, ob die Mitarbeiter aktiv ihr Wissen miteinbringen und somit das System selber gestalten können oder ob sie einfach nur irgendwelche „Standard-Steuerberater-Arbeitsabläufe“ vorgelegt und „übergestülpt“ bekommen und diese dann befolgen sollen. Es ist dringend zu empfehlen, kein für Steuerberater vorgefertigtes standardisiertes System einzukaufen, sondern dieses selber zu entwickeln und den individuellen Bedürfnissen und Gegebenheiten der Kanzlei anzupassen!
Deshalb machen wir uns nichts vor: die Einführung eines QMS kostet die Kanzlei Zeit und somit Geld. Zudem wird von allen Beteiligten verlangt, dass sie sich kritisch mit den bisherigen, oftmals fest etablierten Arbeitsabläufen in der Kanzlei auseinandersetzen und bereit sind, diese bei Bedarf zu verändern bzw. zu verbessern. Gerade hier spielt dann auch das Verhalten der Geschäftsführung eine sehr wichtige Rolle – sie muss die Bereitschaft zu Veränderungen vorleben und so die klaren Signale an die Mitarbeiter senden: das alles ist so von uns gewollt!
Fazit
Die Frage, ob der Aufwand und die Kosten zur Einführung und Aufrechterhaltung eines QMS wirklich gerechtfertigt sind, lässt sich eindeutig mit „ja“ beantworten, wenn man das Projekt professionell und mit der notwendigen Entschlossenheit angeht. Sind alle Kanzleiinhaber bzw. Führungskräfte vom Sinn und Zweck des Projekts überzeugt, so sollte man durchaus den Schritt hin zur Einführung eines QMS wagen, denn die Möglichkeit ein dauerhaft modernes, attraktives und zukunftsorientiertes Unternehmen mit nachhaltigem Erfolg auf den Weg zu bringen ist mit einem funktionstüchtigem und lebendigem QMS eindeutig größer!
(Auszug aus dem Bericht „Qualitätsmanagement in der Steuerberatung – Fluch oder Segen?“ veröffentlicht von Markus von der Lahr , erschienen in den Verbandsnachrichten des Steuerberater-Verbandes Rheinland-Pfalz im Jahr 2016)